Ich hatte gepokert. Aber als heute unsere beiden Athleten dann doch etwas sang- und klanglos untergingen, war dann doch der Weg frei ins Theater zum Ballett.
Ich war bereits nachmittags fertig mit dem Schreiben – es gab auch eigentlich kaum etwas zu berichten und mein persönliches Erschrockensein über die Kämpfe hatte nichts in der Öffentlichkeit zu suchen. Hier bin ich eher privat und kann dann auch mal meine Meinung äußern. Unser 66-Kilo-Mann Lennart Slamberger aus Leipzig ist tatsächlich im ersten Männerjahr und durfte schon zur WM. Der erste Kampf ging noch, er trotzte einem Peruaner drei Strafen ab und gewann damit im Golden Score. Im zweiten Kampf hatte er den Knall am Anfang offensichtlich nicht verspürt, als er schon sehr schnell in einer Festhalte lag. Ja gut, er war geschickt, kam raus und weiter gings. Aber er bot sich auch weiterhin regelrecht an und landete wieder in der Halte. Neun Sekunden reichten nicht für eine Wertung, er befreite sich, um gleich wieder den gleichen Fehler zu machen, für den er nun endgültig bestraft wurde. Schade, ein Erfolg hätte ihm sicher für die Zukunft gut getan. Auch Mascha Ballhaus. 2017 war sie schon einmal Vize-Weltmeisterin bei den Kadetten und auch Europameisterin. Von dieser Erfahrung war heute nichts zu sehen, sie stand regelrecht neben sich und machte die gleichen Fehler immer wieder. Am Ende verlor sie den Auftaktkampf und schied aus.
Ich habe mir noch die Geschwister Abe aus Japan angeschaut. Es ist immer wieder eine Augenweide, wie die beiden auf der Matte agieren – und sie wurden am Ende auch beide mit dem WM-Titel belohnt. Es ist übrigens der dritte für jeden von Beiden. Hifumi wurde 2017/2018 und heute Weltmeister, die drei Jahre jüngere Schwester Uta stieg 2018 ein und verteidigte 2019 und 2022. Beide wurden in Tokio Olympiasieger.
Ich ging dann nachmittags erst mal zum Hotel, ich war auch etwas müde und hab ein kleines Powernapping gemacht. 17 Uhr ging mein Taxi zum Theater. Mit meinem üblichen Reise-„Koffer-Kleid“ – ich kanns eben in jede Ecke reinknuddeln und es knittert nicht – war ich sehr gut angezogen. Dieses Alisher Navoi-Theater ist ja schon von außen ein Schmuckstück. Aber von innen ist es noch schöner, noch prächtiger – очень красиво eben.
Da ich Zeit hatte, flanierte ich im ganzen Theater rum und genoss die Atmosphäre. Ganz oben im Rang öffnete ich einen Absperrvorhang und ging in die Zuschaerränge. Plötzlich sprach mich eine Mitarbeiterin an. Nein, nicht um zu meckern, was ich denn da oben suche – sie bot mir ihre Hilfe an und fotografierte mich 😉
Hier ein paar Eindrücke von dem Marmorprunk im Theater:
Auf meinem Platz angekommen saß ich neben einem koreanischen Pärchen, die gut englisch konnten. Sie ist Lehrerin an der Uni in Taschkent und ihr Mann ist grad zu Besuch.
Da ich aber einen recht großen Mann vor mir hatte, musste ich ständig rechts und links vom Kopf schauen, damit ich keine Ballettszenen verpasse. Nach der Pause wechselte ich auf freie Plätze gleich nebenan. Wieder erwischte ich eine Nachbarin mit Englisch-Kenntnissen. Sie kommt aus Taschkent, lebt aber schon seit 15 Jahren in den USA und kam jetzt für eine längere Zeit zurück, um ihre Mama zu pflegen.
Aber neben allem Geplauder, was ich hier schreibe, war ja mein Ziel heute das Ballett. Und es war zauberhaft schön. Das Ganze war eine Liebesgeschichte – Stoff, der sich für Ballett IMMER eignet 😉
Die Aufführung ist dem Symbol der staatlichen Heraldik der Republik Usbekistan gewidmet – dem Humo-Vogel. Es ist ein romantisches Ballettmärchen in zwei Akten.
Humo ist ein magischer Vogel, eine Vogellegende der Schönheit, des Glücks und der Liebe, Anführer des Reiches der bizarren Vögel. Wenn sie zu Boden fliegen, ihr lassen sie ihr Gefieder fallen und verwandeln sich in Mädchen. Als der erfahrene Töpfer und Meister der Münzprägung Zagar durch die Berge wandert, sieht er ein Humo-Vogel-Mädchen und verliebt sich in das Vogelmädchen Zuleykha. Die Beiden müssen viele Schwierigkeiten überwinden, damit die Liebe siegt und sie sich vereinen können. Da ist die List des geizigen Herrschers von Karun Khalifa, des bösen Jägers Mansur und anderer – aber die Gerechtigkeit triumphiert, das Glück wird auf die Erde kommen und der Vogel des Glücks – Humo wird in allem helfen und ein Talisman des Wohlbefindens und der Gerechtigkeit sein.
Das Vogelmädchen Zuleykha war eine äußerst anmutige Tänzerin und es war bezaubernd, ihr und allen anderen zuzuschauen.
Auf jeden Fall war es ein toller Theaterabend und mal schauen, wir überlegen noch, ob wir „Tausend und eine Nacht“ hinkriegen. Das werden wir jedoch erst am Sonntagnachmittag entscheiden. Das schlechte Omen, Theaterkarten zu haben, sollte sich nicht nochmal wiederholen. Lieber verzichte ich auf Theater und unsere Athleten kommen mit Medaillen aus der Halle.
Anschließend haten wir uns noch verabredet in einer Gaststätte. Ich trank nur noch etwas, im Hotel sollte eigentlich mein Cesars Salat warten.
Eigentlich. Es war nichts wie verabredet. Sie sollten mir den Salat aufs Zimmer stellen… Dafür könne ich morgen Mittag und Abendessen bekommen. Aber eigentlich ist das echt tooo much.
Jetzt füge ich noch schnell Fotos ein und und mach schnell die Vorschau. Dann gehts ab ins Bett. Ich muss morgen etwas zeitiger raus, es geht eine halbe Stunde früher los.